Erfolgreiche Integration von FileMaker in ein führendes österreichisches Unternehmen. Interview mit Oliver Schmalzl
In meinem zweiten Interview spreche ich mit Oliver Schmalzl aus Tirol. FileMaker wurde dort ursprünglich als „kleines Tool für eine Übergangszeit“ für den Außen-dienst eingeführt. Mittlerweile ist FileMaker eine der wichtigsten Anwendungen und aus der Firma nicht mehr wegzudenken, auch wenn die Geschäftsleitung das in der Vergangenheit manchmal forderte. Ohne FileMaker? Das ist impossible!
Anfang 2014 erreichte mich folgende E-Mail des IT-Leiters der Firma Innotec, die ich hier leicht gekürzt wiedergebe.
Hallo Herr Schulz,
ich habe Ihren Kontakt nach einigen FileMaker Recherchen im Internet gefunden. Wir stellen gerade Überlegungen an, ob wir mit FileMaker einige Dinge abbilden können, vor allem würden wir das Programm gerne als Schnittstelle von internen Daten (SQL) zu unserem Außen-dienst nutzen. Hier ein paar generelle Infos:
Firmenzentrale (6322 Kirchbichl, Tirol):
Wir sind ein Großhändler und im Bereich der hochwertigen chemisch technischen Produkte ein starker Anbieter (Marktführer) in Österreich. Artikel: ca. 600 / Mitarbeiter: ca. 80, davon 60 im Außendienst / Debitoren: ca. 40.000 Als ERP verwenden wir Microsoft AX in der Version 2009.
Außendienst (ganz Österreich):
Unser Außendienst hat mit Ende 2013 Smartphones erhalten (iPhone 5/5s), nutzt darauf momentan allerdings überwiegend die Standardfunktionen (Email, Kontakte, Kalender, Fotos…) Mit Ende des Jahres 2014 ist geplant den Mitarbeitern auch noch iPads zur Verfügung zu stellen. Auf diesen sollen künftig viele der jetzigen Prozesse abgebildet werden.
Um es ganz salopp zu sagen – wir wollen weg vom „Papierkrieg“:
- Jeder Außendienstmitarbeiter führt beispielsweise 3 dicke Leitz-Ordner täglich mit sich.
- Ordner 1 beinhaltet Produktinformationen (Kataloge, Infos, Preislisten udgl.)
- Ordner 2 beinhaltet Kundeninformationen / Karteikarten, also eine Art „Papier-CRM“.
- Ordner 3 beinhaltet Bestellblock, Durchschläge von Bestellungen, Reklamationen udgl.
- Im ersten Schritt möchten wir den Außendienstmitarbeitern eine Art „Dashboard“ mit Informationen bieten. Kundenliste + Kundendetails, Aufträge + Auftragszeilen, Artikel + Artikeldetails. Momentan reine Anzeige und noch keine Erfassung.
Ich würde Sie bitten, diesbezüglich einmal Kontakt mit mir aufzunehmen, damit wir einige Punkte besprechen können und ob Sie uns bei der Umsetzung dieses Projekts behilflich sein können.
Vielen Dank und schöne Grüße
Oliver Schmalzl Controlling & IT
Auf Basis dieser Anfrage kam es im Mai 2014 zu einem Treffen in meinem Büro in Salzburg. Oliver kam damals in Begleitung seines Chefs und jetzigen Firmeninhabers Martin Obermayr und wir haben ein paar Stunden die Stärken und Schwächen von FileMaker besprochen – mit besonderem Fokus auf den Datenaustausch mit der bestehenden SQL-Datenbank von Microsoft Dynamics. FileMaker Go für die iPhones der Außendienstmitarbeiter war ebenfalls ein wichtiges Thema.
Schon ein paar Tage später hatte Innotec einen eigenen FileMaker Server vor Ort installiert und wir haben per Fernwartung die unkomplizierte Anbindung an die SQL-Datenbank per ODBC realisiert. Oliver hat sich schnell in FileMaker eingearbeitet und umfangreiche Scripts und Formeln programmiert. Wusste er nicht weiter, konnte ich per Fernwartung helfen und für größere Themenkomplexe ha-ben wir uns tageweise in Salzburg oder Tirol getroffen. Diese Vorgehensweise haben wir seit mittlerweile neun Jahren sehr erfolgreich beibehalten.
Im Laufe der Zeit hat Oliver die wichtigsten Funktionen der ERP-Datenbank (Enterprise Resource Planning) in FileMaker nachgebaut und Martin Obermayr als Geschäftsführer lernte die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von FileMaker sehr zu schätzen. Seit vielen Jahren ist er eben-falls sehr aktiv in die Weiterentwicklung der firmeninternen FileMaker Lösung involviert. Jetzt, neun Jahre später, ist FileMaker in fast jede Abteilung vorgedrungen und Inno-tec hat mehr als 110 Arbeitsplätze mit FileMaker ausgestattet. Neben der ursprünglichen, eher kleineren Aufgabe, eine Schnittstelle zum Anzeigen der ERP-Daten für den Außen-dienst zu schaffen, hat FileMaker bei Innotec mittlerweile eine extrem wichtige Rolle für viele Aufgaben eingenommen, z. B.:
- CRM (Customer Relationship Management) für den gesamten Innen- und Außendienst
- Generierung von Angeboten, Anschreiben u. v. m. – Erfassung von Fahrtenbuch, Tagesaktivitäten, zur Reisekostenabrechnung etc.
- Ticketsystem (Produktneuheiten, Reklamationen etc.)
- PIM-System (Product Information Management) für das Marketing (Datengrundlage für Printmedien, Website, App u. v. m.)
- HRM-System (Human Resource Management) für die Verwaltung von Mitarbeiter- und Bewerberdaten – Umfangreiches Berichtswesen
- Dreh- und Angelpunkt für die Aufbereitung und Bereitstellung von Daten für BI (Business Intelligence) u. v. m.
Während mit dem ERP-System ca. 25 Personen täglich arbeiten, sind es bei FileMaker ca. 100 Personen, was den Stellen-wert der Anwendung gut widerspiegelt. Innotec hat im Jahr 2021 das ERP-System gewechselt und FileMaker konnte problemlos in wenigen Tagen an eine komplett abweichende Datenstruktur angebunden werden.
Dennoch gab es seitens der Innotec-Geschäftsführung und der IT-Abteilung immer wieder Ideen und Projekte FileMaker „loszuwerden“ und durch „bessere“, sprich spezialisiertere Branchensoftware zu ersetzen. Es sollte ein Best-of-Breed-Ansatz anstatt eines Best-of-Suite-Ansatzes verfolgt werden. Wa-rum FileMaker aber auch neun Jahre nach der Einführung noch immer eine tragende Rolle spielt und aktuell sogar wieder mehr Zeit in die Weiterentwicklung der bestehenden Lösung investiert wird, lesen Sie im folgenden Interview.
Interview mit Oliver Schmalzl
Oliver, stell dich bitte kurz vor!
Mein Name ist Oliver Schmalzl, Baujahr 1983, und ich bin seit 2013 bei Innotec Österreich tätig. Ich habe eine Ausbildung als Bürokaufmann, komme ursprünglich aus dem Sales-Bereich und bin irgendwann immer mehr in den Bereich IT & Controlling „reingerutscht“. Ich entwickle seit 2014 im Unternehmen unsere FileMaker Lösung und werde in der Entwicklung und Realisierung von Ideen vor allem von unserem CEO und bei „kniffligen“ Anforderungen von dir unterstützt.
Wann bist du erstmals mit FileMaker in Kontakt gekommen?
Das war interessanterweise irgendwann 2005, als ich für einen Bekannten auf dem Notebook seiner Frau FileMaker installieren musste. Sie arbeitete in einer Arztpraxis und ich wusste eigentlich nicht genau, was ich da installiere, und so ist das bei mir auch nicht weiter in Erinnerung geblieben. 2013 haben wir uns firmenintern sehr viel mit SharePoint auseinandergesetzt und wir wollten die Anforderungen unseres Unternehmens damit umsetzen, sind mit den damaligen Möglichkeiten aber an den Rand der Verzweiflung gekommen. Ende 2013 war ich auf einer Veranstaltung von Konica Minolta, wo ein neues Interface für Kopierer vorgestellt wurde (Dokumentenmanagement etc.).
Ich hatte da einige komplexere Fragen und irgendwann sagte man mir: „Alles, was das Ding im Standard nicht kann, können wir sicher mit FileMaker lösen…“. – Ich habe anschließend sofort FileMaker gegoogelt und ein ganzes Wochenende lang Artikel gelesen, YouTube-Videos angeschaut und am Montag zu meinem Chef gesagt: „Ich glaube, ich habe endlich eine Lösung für das, was wir gesucht haben…“ Es gab damals eine „1+1 Gratis-Aktion“ von FileMaker. Der Rest ist dann Geschichte, wie man so schön sagt.
Du hast mich Anfang 2014 per E-Mail kontaktiert. Nach welcher Lösung habt ihr damals gesucht? War dir gleich klar, dass FileMaker eure Anforderungen erfüllen würde oder habt ihr Alternativen verfolgt?
Ich war mir nach einigen Monaten, in denen ich mich intensiv mit Microsoft SharePoint beschäftigt habe, sicher, dass wir die Anforderungen, die wir damals hatten, damit nicht umsetzen können: Man konnte Dateien verwalten und auch einfache Eingabemasken machen, aber es war alles sehr mühsam und träge.
Irgendwann 2013 habe ich eine echte Koryphäe für SharePoint kontaktiert, einen SharePoint MVP (Most Valuable Professional), der mir nach zwei Gesprächen sagte: „Tut mir leid, dass ich da gegen mein Business spreche, aber das, was ihr vorhabt, ist mit SharePoint nicht lösbar.“ Das war ein massiver Dämpfer und hat mich, da ich damals keine Alternativen im Auge hatte, ziemlich frustriert.
Wie so häufig bekam ich die Lösung eher zufällig bei einer ganz anderen Thematik serviert. Im Laufe meiner Recherche bin ich nämlich auch auf das Guido-Karp-Video1 von der FileMaker Konferenz 2013 gestoßen. Ich fand dieses Video so gut und lustig, dass ich zu diesem Zeitpunkt sicher war, dass FileMaker das Produkt ist, das wir suchen, und Bernhard Schulz die Person, die uns dabei helfen sollte, das Projekt auf die Beine zu stellen. Dass FileMaker tatsächlich das Produkt unserer Wahl ist, hast du dann bei unserem ersten Besuch bei dir im Büro unter Beweis gestellt, als du quasi in zwei Stunden live eine kleine, optisch wenig ansprechende, aber funktionierende Inventurlösung für uns gebaut hast. Das zu sehen war extrem beeindruckend für uns.
Was, eine optisch wenig ansprechende Lösung von mir? Das kann ich jetzt gar nicht glauben 🙂 Ihr habt FileMaker dann ab 2014 im ganzen Haus eingeführt und ich habe den Ein-druck, dass die Mitarbeiter damit sehr zufrieden sind …
Ja, wir sind immer wieder erstaunt, wie schnell die Entwicklung in FileMaker funktioniert – ähnlich wie „Rapid Prototyping“, mit dem großen Vorteil, dass man sehr schnell live gehen bzw. sogar live entwickeln kann. Bei den meisten Softwareherstellern hat man diese Möglichkeit gar nicht oder nur mit sehr viel Entwickler-Know-how und großen Kapazitäten im Haus (C#, .Net, Java etc.). Der Weg über Hersteller und Softwarepartner funktioniert meistens wie folgt:
Idee / Anforderung ➝ Ticket erstellen ➝ Angebot erhalten/frei-geben ➝ 2-4 Wochen Entwicklungszeit ➝ Test im Test-System ➝ Freigabe oder ggf. Änderungswünsche ➝ Implementierung im Live-System ➝ Schulung der User (Dauer: Wochen / Monate)
In FileMaker ist es eher so:
Idee / Anforderung ➝ Umsetzung ➝ Schulung der User (Dauer: Stunden / Tage)
Das ist ein unschätzbarer Vorteil und führt zu einer sehr hohen internen User-Zufriedenheit, was die Implementierung neuer Funktionen angeht, weil es selten etwas gibt, was sich nicht schnell umsetzen lässt.
Wie kam es, dass die Firmenleitung dann trotzdem verlangte, sich nach Alternativen umzusehen?
Wir sind, wie die meisten Unternehmen, sehr Microsoft-lastig: Neben den Klassikern wie Windows und Office hatten wir auch ca. 10 Jahre ein ERP-System von Microsoft im Einsatz (Dynamics AX 2009). Es war also immer naheliegend gewesen, auch bei Systemen wie CRM etc. auf Produkte aus dem Haus Microsoft zu setzen, vor allem, weil es dafür sehr häufig fertige und gut integrierte Schnittstellen gibt.
Als wir uns im Jahr 2018 auf dem Markt nach einem neuen ERP-System umgesehen haben, gab es zahlreiche Ideen, künftig auf einen Best-of-Breed-Ansatz zu setzen. Eine „eierlegende Wollmilchsau“ wie FileMaker passte da so gar nicht mehr ins Konzept. Außerdem hatten wir leider immer wieder massive (performance)-technische Probleme mit unserer Datenbank, was für eine businesskritische Anwendung natürlich sehr problematisch ist. Ich glaube, das war eine Kombination aus Bugs am Server, glücklicherweise irgend-wann behoben, und der Datenbankgröße / gleichzeitigen Zugriffe.
Ungefähr ein halbes Jahr lang hat sich die Datenbank immer wie-der verabschiedet und ließ sich nicht mehr neu starten. Das konnte einmal im Monat oder bis zu sechsmal pro Tag sein und die User waren wenig erfreut darüber, was ich vollkommen verstehen kann.
Mit aktuelleren FileMaker Server Versionen läuft es mittlerweile wieder besser, aber ganz zufrieden bin ich sowieso nie. Wir starten sicherheitshalber unseren Server nach wie vor mehrmals die Woche neu – vielleicht so um die fünf bis zehn Mal. Wenn wir Glück haben, funktioniert das schön kontrolliert und außerhalb der Arbeitszeiten, aber manchmal muss es auch untertags gemacht werden.
Jetzt geht es wieder in Richtung FileMaker: FileMaker abzuschaffen war eine „Mission impossible“. Woher kommt der Sinneswandel?
Der größte Vorteil ist, wie bereits erwähnt, die Entwicklungsgeschwindigkeit – ich kenne keine Software, die da vergleichbar wäre. Der nächste große Vorteil ist die Low-Code-Umgebung. Wir haben keine Entwickler im Unternehmen und können trotzdem (fast) alle Anforderungen unternehmensintern lösen.
Für Spezialanforderungen gibt es zum Glück sehr gute Spezialisten. Die Entwickler-Community und die Bereitschaft Wissen zu teilen, ist bei FileMaker ebenfalls einzigartig. Man kann die firmen-eigene Business-Logik perfekt umsetzen und ist nicht immer von äußeren Umständen der Software abhängig. Und, sagt es bitte nicht Claris, aber schlussendlich ist das Preis-Leistungs-Verhältnis für FileMaker und dafür, was man damit machen kann, immer noch erstaunlich gut am Markt. Klar – zu Beginn ist es eine leere Datenbank. Aber wenn man genügend Zeit investiert, ist es ein extrem mächtiges Tool.
Ihr habt euch allerdings über den letzten Preissprung von Claris sehr geärgert. Du hast dann aber gesagt, dass trotz der Preissteigerung die Kosten für FileMaker nur ein Bruchteil dessen sind, was ihr für das ERP-System und bei Microsoft ausgebt.
Ich weiß nicht mehr genau, wann das war, aber da hatte Claris die Preise ordentlich erhöht. Außerdem mussten wir auf ein anderes Lizenzmodell wechseln, was ein weiterer Kostentreiber war.
Bei ERP-Produkten ist es üblich, dass man zwischen 15 % und 20 % des Kaufpreises – inklusive aller Weiterentwicklungen über die Jahre – als „Servicegebühr“ bezahlt. Dafür rührt man dort beim Hersteller aber abgesehen vom „Basis-Support“ keinen Finger und für alle Weiterentwicklungen und individuellen Anpassungen zahlt man extra.
Bei einer Investition von ca. 250 k sprechen wir bei 15 % also gleich einmal von 37 k pro Jahr – quasi nur, um einen Anspruch auf Updates / Support zu haben. Bei professionellen CRM-Systemen von salesforce, HubSpot, Microsoft etc. belaufen sich die Kosten pro Lizenz auf etwa 75 € bis 200 € pro User und Monat. Bei 80 Lizenzen sind das also ca. 6 k bis 16 k pro Monat (72 k bis 192 k pro Jahr). Außerdem ist das CRM nur einer von vielen Bestandteilen unserer FileMaker Lösung und ich müsste auch noch Systeme für HRM, PIM u. v. m. implementieren und betreiben, was die Auf-wände in unserer IT massiv erhöhen würde. Im Vergleich mit ERP/ CRM-Systemen bietet FileMaker alles in allem immer noch ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Du bist nicht nur für FileMaker Entwicklungen zuständig – deine Abteilung kümmert sich um die gesamte Soft- und Hardware und verwaltet alle Systeme im Haus. Als Windows-Anwender setzt ihr voll auf die Microsoft Softwarelandschaft inklusive Active Directory und Azure Cloud-Dienste.
Ja genau, wir haben eine kleine, aber feine Abteilung – ich bin Head of IT & Controlling, dabei aber Head von genau einem Mitarbeiter. Aber es kommt ja nicht auf die Größe an.
Wir verwalten rund 20 virtuelle Server, etwa 50 Windows-Clients und ca. 200 iOS Devices (iPhone / iPad). Das geht nur mit sehr vielen Automatismen wie MDM (Mobile Device Management), Softwareverwaltung, Windows Gruppenrichtlinienobjekte etc.
Ich bin seit Jahren ein großer Fan von Automatisierung und empfinde es immer wieder als spannende Challenge, aus wenigen Ressourcen viel zu machen. Das geht nur, wenn man sehr effizient arbeitet, die richtigen Tools verwendet und die passenden Partner an seiner Seite hat. Wie die meisten IT-Mitarbeiter in Unternehmen bewege ich mich im Alltag zu etwa 80 % in einer Windows-Umgebung, und seit einigen Jahren wandern mehr Dienste in die Azure Cloud – von Exchange über SharePoint bis hin zu Microsoft Teams als vollwertige Telefonielösung.
Alle wichtigen Server habt ihr im Haus, euer FileMaker Server wird aber extern durch einen Dienstleister gehostet. Warum?
Das hat hauptsächlich mit dem schlechten Netzausbau bei uns zu tun. Wir hatten vor einigen Jahren am Standort nur 16/16 Mbit DSL – mittlerweile sind es 500/50 Mbit Glasfaser (400/30 Mbit real). Im Rechencenter haben wir 1/1 Gbit (920/940 Mbit real).
Da unser Außendienst mittels FileMaker Go auf die Datenbank zugreift und wir bis vor einigen Jahren nur 3G hatten (mittlerweile 4G, selten 5G), war es uns wichtig, hier das bestmögliche Resultat hinsichtlich der Geschwindigkeit zu erreichen.
Ihr seid eine relativ kleine IT-Abteilung für ein Unternehmen eurer Größe. Hat FileMaker geholfen, die Abläufe zu automatisieren oder haben noch andere Tools eine Rolle gespielt?
Über das gesamte Unternehmen gesehen gibt es definitiv keine zweite Software, die einen dermaßen großen Einfluss auf die Automatisierung von Abläufen hatte bzw. hat wie FileMaker.
Ich versuche jetzt nicht zwanghaft, alles in FileMaker nachzubauen – wenn es gute Software mit vernünftigem Preis-Leistungs-Verhältnis gibt, schaue ich mir auch diese an. Häufig habe ich zuerst eine andere Software im Auge und dann „zwingt“ mich der Preis oder die Einführungsdauer doch, einmal ein erstes Prototyping in FileMaker zu machen, welches dann meistens in den Echtbetrieb geht. Schlussendlich wird FileMaker dadurch doch häufiger meine erste Wahl oder ist zumindest irgendwo im Prozess involviert, denn egal ob man Daten benötigt, manipulieren und verwalten will, ob man Scripts generieren oder ausführen will, ob man Daten für eine API benötigt oder FileMaker Daten per API für ein Fremdsystem bereitstellt – das Ding kann irgendwie einfach alles.
Wie viel Zeit steht dir im Schnitt pro Woche für FileMaker Programmierung zur Verfügung?
Das schwankt extrem stark, je nachdem in welchen Projekten ich ansonsten eingebunden bin. Ich würde sagen, so fünf Stunden pro Woche sind es immer, auch wenn es nur Bugfixing o. Ä. ist. Manchmal können es 40 % meiner Arbeitszeit sein, dann wieder nur 20 %. Auf jeden Fall gibt es abgesehen von Excel vermutlich kein Programm, in dem ich in den letzten neun Jahren so viel Zeit verbracht habe. Ich würde schätzen, dass in unserer Lösung sicher fünf- bis zehntausend Stunden an internem Aufwand stecken und nochmals mehrere hundert Stunden von dir.
Was ist die größte Stärke, was die größte Schwäche eurer FileMaker Datenbank?
Das läuft auf fast das Gleiche hinaus! Es ist die Größe / Komplexität der Lösung und diese ist Fluch und Segen zugleich. Ich habe die Datenbank nach dem Anker-Boje-Modell aufgebaut und nur um die Relation einschätzen zu können, hier einmal einige Daten rund um unsere Lösung:
- 198 Tabellen
- 527 Layouts
- 76.842 Script-/Codezeilen
- 2.041 Tabellenauftreten (TOs)
- 1.334 Scripts
- 414 Wertelisten
- 472 Eigene Funktionen
Da ich aber weiß, dass etwa 50 % dieser Daten veraltet bzw. „Müll“ sind und dringend aufgeräumt werden müssten, bin ich nicht so stolz auf diese Zahlen. Aber ich versuche immer wieder organisierter zu werden und aufzuräumen, wenn ich die Zeit finde.
Der größte Vorteil: Ich kann fast alles ziemlich schnell abbilden. Der größte Nachteil: Die Datenbankstruktur, Scripts etc. müssten dringend aufgeräumt werden.
Deine Zahlen kommen aus dem Tool „FMPerception“, richtig? Ihr nutzt auch das „MBS Plugin“. Habt ihr weitere FileMaker Tools im Einsatz?
FMPerception ist eines der Tools, das ich ganz gerne verwende, um mich in der Datenbank zurechtzufinden. Denn obwohl ich vermutlich 70 bis 80 % der Funktionen und Logiken selbst gebaut habe, weiß ich oft nicht mehr ganz genau, was wo zu finden ist. Gerade um zu optimieren und aufzuräumen, ist ein solches Tool sehr hilfreich. An FMPerception mag ich die Performance, und ein DDR-Report hat bei uns, wenn der Haken für die Layouts aktiviert ist, mehr als 600 MB (ohne ca. 100 MB). Man sieht also daran schon gut, wo die Komplexität (aber auch der Schrott) in der Datei liegt.
Das MBS-Plugin muss ich, denke ich, nicht näher erklären. Ich habe lange versucht, ohne Plugins auszukommen und wusste nicht, was mir entgeht und wie einfach manche Dinge mit Plugin funktionieren können. Schade finde ich, dass man das Plugin unter iOS nur mittels SDK verwenden kann – technisch nachvollziehbar, aber halt doch eine Hürde. Genial ist, wie schnell Christian und sein Team neue Features implementieren und immer wieder neue Dinge finden, die hilfreich sind, auch wenn man sich fragt, wie das bei mehr als 7000 Funktionen noch gehen soll.
Abgesehen davon habe ich mir eine kleine Scriptsammlung mit häufig verwendeten Schritten direkt in FileMaker abgespeichert, also z. B. Suchen, Schleifen etc. Die kopiere ich mir dann einfach und passe sie an. Ich habe auch eine Excel-Datei mit einigen Schritten bzw. Vorlagen und baue mir da z. B. aufwendigere JSON- oder SetzeVar-Elemente u. v. m. zusammen.
Ein tolles Tool ist dein FMToolSet2. Man kann damit Layoutelemente oder auch Scripts von FileMaker als XML kopieren, im Tool etwas suchen / ersetzen, z. B. ein anderes TO angeben und dann das Ergebnis wieder nach FileMaker kopieren – egal ob Layoutelemente, Scripts etc. FM Toolset ist in seiner Einfachheit absolut beeindruckend. Es hätte mir sicher weit über 100 Stunden gespart, wenn ich es früher gekannt hätte und ich kann es nur jedem empfehlen!
Du erwähntest, dass ihr Perfomanceprobleme mit eurer Datenbank hattet. Sind die gelöst und wo lag das Problem?
Wie erwähnt, bin ich mit der Performance der Datenbank nie zufrieden. Dass das sehr häufig nicht an FileMaker liegt, muss ich aber auch eingestehen – oft liegt es einfach an „Sünden der Vergangenheit“, bei denen es nicht immer ganz leicht ist sie loszuwerden. Die Performance ist im Großteil der Layouts ganz ok, wir haben auch einiges dahingehend optimiert, sodass sehr aufwendige Serverscripts nur nachts laufen. Auch unsere Website und unsere App holen sich laufend Daten aus FileMaker – die App etwa 300 GB pro Jahr. Es herrscht also generell ein recht hoher Traffic am Server und ich lerne nie aus, was man machen „darf“ und was eher nicht. Da finde ich die Vorträge von HOnza3 auf den Konferenzen immer extrem spannend.
Worauf bist du bei deiner FileMaker Lösung besonders stolz?
Wie viel wir als Laien damit bisher schon geschafft haben. Es kommt ziemlich selten vor, dass ich irgendeinen Wunsch nicht um-setzen kann und wenn ich einmal mit meinem Latein am Ende bin, hast du oder auch jemand anderer aus der FileMaker Community eine Lösung parat. Es freut mich sehr, dass ich den Alltag für viele Menschen im Unternehmen damit deutlich komfortabler machen kann, und ich bin begeistert, wie viel Zeit man bei Prozessen ein-spart. Ich habe immer wieder mal irgendein Lieblingsfeature, aber das wechselt regelmäßig. Momentan gefällt mir besonders gut, dass wir z. B. unsere iOS-App (Anmerkung der Redaktion: siehe unten) aus FileMaker steuern und befüllen. Momentan entwickle ich eine „Coachingzone“ für das Management von etwa 80 Vertriebsmitarbeitern – da orientiere ich mich ganz viel an der Logik / Optik von Computerspielen, weil es auch dort oft darum geht, sehr viele Daten sehr einfach und transparent darzustellen. Solche Dinge machen mir am meisten Spaß, weil ich meinen Background aus Sales, Controlling und IT perfekt in einem Tool umsetzen kann.
Wenn du die Datenbank mit deinem heutigen Wissen auf-setzen könntest, was würdest du anders machen?
- Organisierter arbeiten und eine durchgängige Struktur verwenden (Benennung von Feldern, Scripts etc.)
- Besseres Logging implementieren, um zu sehen welche Module und Funktionen in der Praxis häufig genutzt werden, um diese gezielt optimieren zu können.
- Mehr Fokus auf gutes UI / gute UX (und ggf. externe Hilfe von Profis dafür)
- Immer die bestmögliche Performance liefern und alles dahin-gehend optimieren (weniger = mehr)
- Bestehende Dinge anpassen, sobald effizientere Möglichkeiten durch FileMaker Updates dazukommen (JSON etc.) und dafür fixe Zeiten einplanen
- Große (einfache) Tabellen mit ausschließlichem Lesezugriff ggf. auf eine dahinterliegende MySQL-Datenbank umstellen
- Mehr-Dateien-Lösung
Ihr habt euch für eine Ein-Datei-Lösung entschieden, die mehr als 20 GB groß ist. Habt ihr dadurch Probleme?
Ich würde es als Zweieinhalb-Dateien-Lösung bezeichnen, aber du hast auch mit Ein-Datei-Lösung nicht ganz unrecht. Wir haben unsere Live-Datenbank mit ca. 20 GB, ein paar ausgelagerte Daten in einer zweiten Datenbank mit rund 7 GB und etwa 112 GB externe Daten aus Containerfeldern am Server. Dazu kommt noch unsere On-Premises-Datenbank für die Synchronisation der Daten zwischen unserem ERP, lokalen Daten, Excel etc. und unserem FileMaker Server. Wir haben auf jeden Fall manchmal dadurch Probleme, vor allem, wenn der Server unkontrolliert neu gestartet werden muss oder crasht. Eine Wiederherstellung bei einer 20-GB-Datenbank dauert seine Zeit und da kann es auch einmal passieren, dass wir 15 Minuten offline sind. Für eine dermaßen unternehmenskritische Anwendung ist das natürlich zu viel – vor allem, wenn das häufiger passiert.
Warum trennt ihr die Datei nicht in kleinere Dateien auf?
Das wäre sicher sinnvoll, wenn man einmal von der etwas erhöhten Komplexität für mich als Entwickler absieht. Ich habe mir das schon öfter überlegt, es aber aus Kapazitätsgründen leider nie realisiert. Ich könnte mir eine Trennung nach Thematik ganz gut vorstellen. Also einmal die Stammdaten aus dem ERP, dann CRM, HRM, PIM und vielleicht noch die MEDIEN. Das würde dann auf eine 5-bis-6-Dateien-Lösung hinauslaufen. Wer weiß, vielleicht schaffe ich das irgendwann in den kommenden Jahren.
Die Entwicklung eurer Lösung erfolgt direkt in eurer Live-Umgebung. Ist das korrekt?
Ja – shame on me, ich weiß, dass wir das nicht machen sollten. In den Anfängen der Datenbank, als nicht so viele User online waren, ging das eigentlich problemlos. Mittlerweile kann es im Worst Case zu einem Datenbankcrash und einer Downtime kommen. Ich weiß, dass wir längst auf unserem Development-Server entwickeln und dann regelmäßig nach entsprechenden Tests die Daten migrieren sollten. Das habe ich auch schon sehr lange auf der To-do-Liste und eine entsprechende Development-Umgebung ist eigentlich fix und fertig eingerichtet. Das ist halt der Macht der Gewohnheit und der Bequemlichkeit geschuldet, dass wir das nach wie vor so machen.
Manche Änderungen macht ihr in FileMaker nur abends oder am Wochenende, aus der Befürchtung heraus, der Server könne abstürzen und dass dann niemand mehr arbeiten kann. Ihr scheint euch mit der Situation abgefunden zu haben?
Ja, diese Situation haben wir tatsächlich und es hängt mit dem vorherigen Punkt zusammen, dass wir das Development nach wie vor in der Live-Umgebung umsetzen. Nachdem da immer etwa 50 User oder mehr drin sind, werden natürlich in den häufig verwendeten Tabellen bei Änderungen sehr viele Datensätze blockiert. Ich würde sagen, man hat im Alltag eine 50 / 50 Chance, dass das klappt. So gesehen teste ich dann doch einige Änderungen lokal oder in der Datenanzeige und baue sie am Rand der Arbeitszeiten ein. Keine perfekte Lösung, aber eine Migration dauert bei der Datenmenge in eine einzelne Datei auch relativ lange, eine Stunde muss man da fast einkalkulieren. Insofern wäre vorher vermutlich die Mehrdateienlösung sinnvoll und danach könnte man darüber nachdenken, die Entwicklungen wirklich am Development-Server durchzuführen und die Daten anschließend zu migrieren.
Der Hosting-Dienstleister betreibt euren FileMaker Server seit jeher auf Windows. Plant ihr, auf Linux zu migrieren?
Die Nutzung auf Windows kommt vielleicht daher, dass mein Kollege in der IT und ich selbst eher aus Windows-Umgebungen kommen. Es hat aber auch damit zu tun, dass wir für unsere Website CWP (Custom Web Publishing) über PHP / XML nutzen, was anfänglich unter Ubuntu Linux nicht verfügbar war. Außerdem mache ich manche Anpassung und auch Datenmanipulation direkt am Server, weil ich dort unter Windows auch einen FileMaker Client installieren kann. Die Daten bleiben so im Rechenzentrum und müssen nicht vorher zu uns ins Haus, was bei großen Daten-mengen ein massives Bottleneck wäre. Ich spiele aber mit dem Gedanken, doch einmal Ubuntu zu testen, da der Server sehr stabil und performant sein soll und mittlerweile auch CWP problemlos funktioniert.
Der hauseigene B2B-Webshop wurde an FileMaker angebunden und nicht an eure ERP-SQL-Datenbank. Warum? Wäre die SQL-Datenbank nicht viel schneller?
Auch das hat wieder viel mit Geschwindigkeit zu tun – am Stand-ort ist das Internet einfach viel langsamer als im Rechencenter. Wir haben für unsere App einmal versucht, die Preise in Echtzeit im SQL-ERP am Standort berechnen zu lassen. Die Resultate waren mit 0,5–2 Sekunden Reaktionszeit sehr ernüchternd, selbst für ein-fache Preise – an Preislisten bzw. eine komplexe Preismatrix wäre nicht zu denken gewesen. Außerdem kann man Daten in FileMaker einfach sehr gut manipulieren und auch entsprechend einschränken, was mittels SQL-Server zwar möglich wäre, aber deutlich komplexer ist. Dazu kommt, dass ich im ERP-System wesentlich vorsichtiger mit Anpassungen bin, da es mehr Regulativen durch das Finanzamt etc. unterliegt.
Zwischen 2016 und 2018 habt ihr eine FileMaker App erstellt, die jedoch nie produktiv eingeführt wurde. Warum?
Ja, wir haben für unsere Außendienstmitarbeiter eine FileMaker App mit dem iOS SDK erstellt, damit Bestellungen sofort digital entgegengenommen werden können. Für einen sechsstelligen Invest wurde dann aber vor zwei Jahren eine externe Firma beauftragt, eine native iOS-App zu programmieren, die genau diesen Aufgabenbereich abdecken sollte. Mittlerweile verwenden die Außendienstmitarbeiter diese App täglich und sind damit sehr zufrieden.
Ich bin absolut davon überzeugt davon, dass man mit der FileMaker Go App bzw. auch dem iOS SDK sehr gute, ansprechen-de und schnelle Lösungen für Mobilgeräte bauen kann. Wir sind damals sehr weit gekommen, aber irgendwie hat sich die App nie wirklich „fertig“ angefühlt. Teilweise gibt es nativ unter iOS ganz andere Möglichkeiten, sowohl technischer als auch optischer Natur. Ich weiß, dass sehr viele FileMaker Entwickler hauptsächlich für den Desktop entwickeln, bei uns lag der Fokus aufgrund der vielen iPads immer etwas stärker auf FileMaker Go. Der kleine Screen ei-nes iPhones bringt eine ganze Menge Herausforderungen mit sich, was ich im Rahmen dieses Projektes selbst erst lernen musste. Man muss sehr auf die Reduktion von Inhalten achten, sowohl Platz- als auch performancetechnisch. Das klingt zwar logisch, das in der Praxis umzusetzen ist aber eine ganz andere Sache. Wir haben uns schlussendlich dafür entschieden, das Projekt von einer sehr guten Agentur umsetzen zu lassen, die sich auf die Entwicklung von nativen Apps für iOS (unter Swift) und Android (unter Kotlin) spezialisiert hat.
Vor allem im Bereich UI / UX haben wir extrem viel von diesen Profis gelernt, was wir auf FileMaker ummünzen können. Unser Ziel ist es, die App Ende 2023 für unsere Kunden in die App-Stores zu bringen. Dabei war mir wichtig, dass eine wirklich performante Datenbank dahinter liegt, die auch sehr viele Zugriffe ohne spür-bare Performance-Verluste zulässt.
FileMaker hat unter WebDirect immer noch sehr niedrige Limits, die erst mit der 2023er-Version angehoben wurden. Dass man bis heute keine FileMaker App für Android erstellen kann, war natürlich auch ein Grund für die Entwicklung einer nativen App. Aktuell ist es so, dass wir die für unsere Mitarbeiter und Kunden relevantesten Daten rund um unsere Produkte und Services in der nativen iOS App integriert haben und alle Dinge drumherum (wie CRM, Fahrtenbuch etc.) neu für iPhones designen und prüfen, ob wir da-durch in den kommenden Jahren die iPads ersetzen können. Auch hier zeigt sich, dass wir FileMaker einfach nicht loswerden.
Du arbeitest momentan daran, kundenspezifische Produkt-datenblätter aus FileMaker zu generieren. Wie gut ist das Ergebnis im Vergleich zu InDesign?
Wir verfolgen seit einigen Jahren im Unternehmen den Ansatz: „Digital First“. Wir hatten Kataloge mit rund 200 Seiten – aktuell ca. 100 Seiten – und wir haben sehr viele Produktdatenblätter, die in der Vergangenheit alle in Adobe InDesign erstellt wurden. Natürlich haben wir uns schon vor Jahren mit Database Publishing beschäftigt und setzen nach wie vor die Software „Xactuell“ von Codeware aus Stuttgart ein. Die Probleme hier waren aber immer: Man braucht InDesign (hohe Lizenzkosten), Kenntnisse in der Marketingabteilung und eine Middleware wie „Xactuell“ (zwischen der Datenbank und InDesign), die auch nicht ganz billig ist.
Nach 10 Jahren war unser Marketing komplett überfordert, denn neben den Katalogen und Infos aus InDesign mussten sie sich auch um Stelleninserate, Word- und PowerPoint-Vorlagen kümmern. Deshalb habe ich irgendwann gesagt: „Also wenn es nicht ganz so perfekt ausschauen muss und wir eher eine zeilen- statt spalten-basierte Darstellung verwenden würden, kann ich ja mal schauen, was ich in FileMaker so hinbekomme.” Auch wenn ich oft tricksen und unsere Marketingabteilung manche Kompromisse eingehen muss, sind wir mit den Ergebnissen aus FileMaker mehr als zufrieden – vor allem, weil alles als PDF ausgegeben werden kann und wir uns die vielen Ausdrucke sparen.
Begonnen haben wir mit Stellenanzeigen, die wir flexibel aus verschiedenen Templates und Textblöcken in drei Layoutvarianten als PDF exportieren können.
Richtig umfangreich war die Erstellung von Angeboten. Das haben wir jahrelang mithilfe des MBS-Plugins und Platzhaltern in Word-Dokumenten gemacht, wofür es bis zu 30 unterschiedliche Word-Templates gab. Mittlerweile machen wir es komplett nativ in FileMaker, was den großen Vorteil hat, dass Angebote jetzt von 80 Außendienstmitarbeitern erstellt werden können und nicht mehr nur von sieben Innendienstmitarbeitern. Aktuell bin ich an Preis-listen und unseren Produktinfos dran, das wird am Kniffligsten, weil es da sehr viele verschiedene Varianten gibt.
Der größte Vorteil ist natürlich, dass alle Daten aus der Datenbank an unterschiedlichen Stellen genutzt, gewartet, austauscht und zur Verfügung gestellt werden können – auch im Web, in der App etc. Das Ergebnis ist immer optisch hochwertig und einheitlich – und das ganz ohne teure Software oder grafische Kenntnisse. Die größten Mankos sehe ich in der Gestaltungsfreiheit der Dokumente und ggf. der Qualität und dass meine Tricksereien wie unsichtbare Felder etc. natürlich auch exportiert werden.
Du bist regelmäßig Gast auf den FileMaker Konferenzen – wie wichtig ist dir der Informationsaustausch dort?
Zu meiner ersten FileMaker Konferenz 2016 in Salzburg wurde ich von dir eingeladen. Man könnte auch sagen „genötigt“, weil ich zu Beginn eher skeptisch war, ob ich die drei Tage nicht sinnvoller für die FileMaker Entwicklung verwenden könnte. Seither habe ich an jeder Konferenz teilgenommen, denn ich finde, dass sie neben dem FileMaker Forum und dem FileMaker Magazin die wichtigste Informationsquelle bzw. Plattform im deutschsprachigen Raum darstellt. Mittlerweile kenne ich viele der Entwickler und Entwicklerinnen persönlich und habe viele gute und inspirierende Gespräche führen dürfen.
Mir hat es sehr gut gefallen, dass ich als Newcomer im Bereich FileMaker von Anfang an so herzlich aufgenommen wurde – auch die „Star-Entwickler“ im DACH-Raum sind am Boden geblieben und freuen sich, wenn sie ihre Erfahrung teilen und präsentieren können. Nach drei Tagen Konferenz bin ich immer unglaublich motiviert und inspiriert und mir fallen noch tausend Dinge ein, die ich in FileMaker realisieren möchte. So gesehen kann man wohl sagen, dass ich ein ziemlicher Fan der Konferenz bin und mich jedes Jahr darauf freue.
Ihr sucht aktuell Mitarbeiter. Auch FileMaker Entwickler?
Ja, wir sind immer auf der Suche nach motivierten Kollegen, besonders im Außendienst und im Vertrieb. Wir haben aber auch sehr viele interne Abteilungen in den letzten Jahren aufgestockt, vor allem das Marketing und die Akademie. In der IT sind wir – auch dank FileMaker – noch immer so effizient, dass wir zu zweit zurechtkommen. Aber wenn uns jemand eine Bewerbung als FileMaker Developer schickt, würde ich mir sie auf jeden Fall ernsthaft anschauen. Für mich ist FileMaker mittlerweile keine „abgeschlossene“ Plattform mehr, also wären auch Kenntnisse in API-Technologien und JavaScript von Vorteil. Aber es würde auch für einen reinen FileMaker Entwickler bzw. eine Entwicklerin vermutlich mehr als genug zu tun geben.
Offene Stellen lassen sich häufig nicht so rasch besetzen, wie gewünscht. Könnt ihr Stellen durch Automatisierung mit FileMaker kompensieren?
Ich denke, dass wir in einigen internen Abteilungen ohne FileMaker schon deutlich mehr Personen hätten. Im Außendienst ist es schwieriger, Prozesse zu automatisieren, aber man kann sie zumindest so weit beschleunigen, dass man in der gleichen Zeit mehr schafft: die Angebotslegung etwa haben wir von rund 15 Minuten auf etwa 3 Minuten pro Angebot reduziert. Das schafft mehr Zeit für die Beratung oder für weitere Kundenbesuche.
Denkst du, dass ihr durch neuartige KI-Anwendungen den Personalmangel weiter mindern könnt?
Ich beschäftige mich gerne mit neuen Technologien und daher auch mit KI / Machine Learning und Large language models wie ChatGPT. Ich bin noch etwas zwiegespalten, wie sich das in den kommenden Jahren entwickeln wird, für mich gibt es die „künstliche Intelligenz“ in ihrer ursprünglichen Definition laut Turing Test noch nicht. Es ist aber beeindruckend, was durch bessere Rechenpower, Cloud Computing, neuronale Netze etc. mittlerweile möglich ist. David Graeber hat im Jahr 2018 das Buch „Bullshit Jobs. Vom wahren Sinn der Arbeit“ veröffentlicht und ich glaube, dass durch diese neuartigen Technologien deutlich mehr dieser „Bullshit Jobs“ wegfallen werden. Ich bin aber auch überzeugt, dass ganz viele hochspannende, neuartige Tätigkeitsfelder entstehen werden.
Wird deine Position als IT-Systemadmin/FileMaker Programmierer in zehn Jahren durch eine KI abgelöst worden sein?
Manche meiner Tätigkeiten können sicher abgelöst werden, aber das sind vor allem Routinetätigkeiten, bei denen ich nicht traurig bin, sie loszuwerden. ChatGPT ist zum Beispiel laut meiner laien-haften Betrachtungsweise schon sehr gut darin Code zu schreiben – wahrscheinlich nicht so gut, wie ein studierter Informatiker mit Berufserfahrung, aber definitiv besser als ein Laie. Wichtig ist, dass man keine der generierten Antworten für bare Münze nimmt und sie immer doppelt und dreifach prüft. Ich glaube, dass Tätigkeiten wie einfacher IT-Support immer mehr von gut trainierten Bots übernommen werden können, die Konfiguration / Überwachung von Clients, Server uvm. immer mehr von Systemen und Scripts – da muss nicht immer KI dahinterstecken. Cloudbasierte Anwendungen werden sich meiner Meinung nach ebenso durchsetzen wie fertige Schnittstellen / API’s zwischen Systemen – Claris Connect hinkt hier leider noch ziemlich hinterher.
Ich mache mir persönlich aber keine Gedanken darüber, ob mein Job obsolet werden könnte, es wird sich vermutlich der Aufgabenbereich etwas ändern. Wenn ich jetzt schon einer KI sagen könnte, was sie für mich in FileMaker alles entwickeln soll, wäre ich ziemlich happy – da scheitert es ja eher daran, nicht einfach etwas in den Codeeditor kopieren zu können.
Gibt es genug Nachwuchs an FileMaker Entwicklern?
Leider nein. Ich finde das sehr schade, denn es ist eine geniale Plattform im Low-Code-Bereich und mich wundert es sehr, dass die Software so ein Nischendasein fristet.
In fast jedem Unternehmen gibt es zu wenige gut ausgebildete Programmierer, aber meistens ausreichend viele Key-User, die Prozesse verstehen und Verbesserungen dafür im Kopf haben. Ich glaube, viele Programmierer halten FileMaker für ein „Spielzeug“ und bei den Anwendern kommt es zu wenig an, dass es diese Software gibt. Ich halte FileMaker nicht für wirklich komplizierter als Excel, und das können sehr viele Controller bedienen – ähnlich ist es mit PowerShell und Bash in der IT.
Empfiehlst du FileMaker an Kollegen weiter?
Sehr häufig sind sie sehr beeindruckt, was ich damit mache. Am Ende bleiben aber die meisten IT’ler lieber in ihren gewohnten Umgebungen – unter Windows meistens PowerShell, in den letzten Jahren in Kombination mit Azure. Hier hilft es mir vermutlich, dass ich keine klare Präferenz zu Windows, Mac oder Unix habe, sondern zuerst die Sache betrachte und dann das System dafür auswähle. In großen Konzernen ist es oft auch sehr schwierig, eine neue Software zu implementieren, da habe ich den großen Vorteil, sehr viel Entscheidungsfreiheit im Unternehmen zu genießen.
Was wünscht du dir von Claris / FileMaker?
Hört mehr auf die Developer und setzt die Wünsche um, die ihr auf der Claris-Webseite sammelt, macht FileMaker – vor allem Berechnungen – performanter. Tauscht die dahinterliegende Datenbanktechnologie aus oder ermöglicht die Einbindung anderer Datenbanken wie Postgre, MongoDB. Und macht Christian Schmitz zum Vice President of Plugin Development, kauft ihm das MBS-Plugin ab und integriert die Funktionen nativ und plattformübergreifend in alle Versionen.
Wo steht FileMaker in fünf, wo in 15 Jahren?
Ich sehe ein riesiges Potential für Low-Code-Plattformen wie FileMaker. Die Microsoft Power Apps holen momentan stark auf, was Marktanteile angeht. In meinen Augen sind sie bei Weitem noch nicht so gut wie FileMaker, obwohl sie viele Vorteile mit sich bringen, z. B. die tiefe Integration der Microsoft-Systeme. Interessanterweise wird FileMaker auf Plattformen wie G2 nicht bei „Low-Code Development Platformen“ gelistet, sondern unter: „Work-place Innovation Platforms“.
Auch KI wird die riesigen Mengen an hochqualifizierten Arbeitskräften wie Programmierern, die wir in den kommenden Jahrzehnten benötigen, nicht ansatzweise kompensieren können. Meine Meinung ist, dass es Claris in den nächsten fünf bis zehn Jahren schaffen muss, aus dem Nischendasein auszubrechen. Wenn ihnen das nicht gelingt und sie weiterhin Geld in Produkte wie Claris Studio oder Claris Connect investieren, ohne dort signifikante Marktanteile zu generieren, und die Cash-Cow FileMaker vernachlässigen, wird in den kommenden Jahren ein Großteil der Entwickler-Community aufgrund demografischer Umstände wie Pensionierungen, zu wenig Nachwuchs, zu wenige Frauen etc. wegfallen.
Ich glaube an die FileMaker Plattform und wie man hier lesen kann, haben wir es trotz mehrerer Versuche bis heute nicht ge-schafft, FileMaker loszuwerden.
Vielen Dank für das Interview.
Ich bedanke mich ebenfalls und freue mich natürlich, viele von euch im Forum oder auf der nächsten Konferenz zu treffen. Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Einblick liefern, wie FileMaker auch als Nischenprodukt in einer klassischen Windows-Umgebung zu einer unternehmenskritischen Anwendung werden kann.
Das Interview wurde am 20. Juli 2023 schriftlich geführt und erschien erstmals im FileMaker Magazin Ausgabe FMM_202304.
- FMK 2013/Guido Karp – Ein Besessener nutzt FileMaker bis an die und auch gerne über die Grenzen. https://www.youtube.com/watch?v=H4yvaLuDnLA&t=5116s
(Siehe auch: Interview in der Ausgabe FMM_202303 des FileMaker Magazins bzw. Interview mit Guido Karp). ↩︎ - Bernhard: „Oh, da werde ich ganz rot :-). FMToolset hatte ich ursprünglich für mich selbst programmiert und es steht daher nur für macOS zur Verfügung. Da es komplett kostenlos ist, erlaube ich mir an dieser Stelle den Downloadlink zu nennen: https://www.schubec.com/link/fmtoolset.php ↩︎
- HOnza Koudelka von 24u Software, FileMaker Entwickler aus Prag und häufi-ger Sprecher auf FileMaker Konferenzen. ↩︎
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